Viele Kindheitserinnerungen stecken in „König der Löwen“; viele Tränen und viele Momente der Freude. Doch was steckt noch dahinter? Was genau ist an einem Kinderfilm bzw. animierten Zeichentrickfilm überhaupt politisch? Es kommt oftmals auf das Detail an und auf die implizierten Aussagen, Annahmen und Weltanschauungen die offen bzw. verdeckt übermittelt werden.

Das Disney-Logo: Bei genauem Hinsehen wird ersichtlich, dass das Logo von Disney ein (königliches) Schloss – somit Macht, Reichtum, Wohlstand, strikte Hierarchie, höfliche Manieren, Herrschaft und königliche Ästhetik symbolisiert. Ein demokratisch gewähltes Parlament, oder eine basisdemokratische Kommune wird jedenfalls nicht abgebildet. Somit impliziert schon allein das Logo, die Exklusion von flachen Hierarchien. Gehen wir einen Schritt weiter:
Im Disney-Film „König der Löwen“ der 1994 erschien wird schon in der Anfangssequenz die strikte Hierarchie deutlich: Alle Tiere des „Geweihten Landes“ (was auch immer das sein mag) pilgern zum Felsen, damit sie den neugeborenen Sohn des Königs nämlich Simba zu sehen. Der amtierende König ist deshalb König, weil er mit Attributen wie Güte, Weisheit und vor allem Stärke und Mut ausgestattet ist. Im Gegensatz dazu steht der jüngere Bruder Mufasas (Scar) der neidisch auf den Thronerben ist und gleichzeitig über die am Rande der Gesellschaft stehenden Hyänen regiert. In dieser Gesellschaft gibt es für ärmere, ungebildete und körperlich schwächere (nämlich die Hyänen) keine demokratische Mitbestimmung, keinen legitimen Weg um an den Thron zu gelangen und auch keine Befugnis über die wirtschaftlichen Güter. Jeder hat offenbar seinen Platz und muss diesen akzeptieren – so die implizierte Botschaft. Da Tiere in diesen Film die Hauptrollen spielen werden dadurch gleichzeitig gesellschaftspolitische Macht- und Herrschaftsverhältnisse naturalisiert. Das Politische wird also als etwas „natürliches“ dargestellt, somit in die Sphäre des Unveränderbaren gelenkt [nach dem Motto: „es ist so,… weil es immer schon so war“]. Das Politische, also Macht- und Herrschaftsverhältnisse sind jedoch historische Konstrukte, sind kontingent („hätten ja auch anders sein können“) und somit von Menschen veränderbar. Die Ordnung zu verändern ist jedoch nicht die Kernbotschaft des Filmes. Gehen wir weiter:
Nala ist die beste Freundin von Simba und laut Aussagen des Co-Regisseurs Rob Minkoff ging man während der „Dreharbeit“ davon aus, dass Mufasa oder Scar ihr Vater ist. In der Natur, also im Löwenrudel wäre es üblich, dass sich Simba mit der Halb-Schwester bzw. Cousine vermehrt. Jedoch auf menschliche Gesellschaften übertragen käme diese Situation einem Inzest gleich. Hier wird die Diskrepanz von Mensch und Tier deutlich. Doch abgesehen davon bilden Nala und Simba die klassisch-bürgerliche Kernfamilie ab, die zur Reproduktion [„Kinder-zeugen“] und zur Erhaltung des Königsreiches [und Eigentum] dient. Auch dieses historische Konstrukt [nämlich die Institution Familie] wird naturalisiert. Einige Charaktere die auf dieser Stammtafel abgebildet sind werden erst in den Nachfolgefilmen eingeführt (also nach 1994 – dem Ersten Teil). Auch diese Stammtafel zeigt wie wichtig die Abstammung [ius sanguinis „Recht des Blutes“] für die In- bzw. Exklusion ist. Bis zum heutigen Zeitpunkt nämlich findet sich das Prinzip ius sanguinis in Nationalstaaten wieder, die dadurch nach einem willkürlichen gewählten Prinzip [man hätte ja auch Ohrenlänge nehmen können] über die Vergabe der Staatsbürger*innenschaft entscheiden. Im Film „König der Löwen“ wird dies mit der Szene deutlich, in der Mufasa seinen Sohn Simba den Sternenhimmel zeigt und dabei behauptet, dass jeder Stern für einen Vertreter aus der Ahnenlinie steht. Somit sind die Urväter von denen Mufasa seine Macht geerbt hat, stets anwesend. In ähnlicher Weise sehen wir diese soziale Hierarchie in der ältesten Erbmonarchie der Welt, nämlich in Japan. Dort wurde der Thron des Kaiserhauses 126-Mal besetzt. Auch diese Machtstruktur wird naturalisiert und nicht kritisch dargestellt.
Timon und Pumbaa, zwei heitere Figuren die Simba auf den verlorenen Lebensweg begegnet, haben einen gänzlich anderen Lebensstil als die anderen Tiere in der von Disney gezeichneten Gesellschaft. Sie leben vor sich hin, sind sorgenlos, unvorsichtig, tollpatschig und folgen der Philosophie „Hakuna Matata“ (und „Unter dem Meer“). Sie sind nicht in Erwerbs- oder Zwangsarbeit und auch nicht in dem hierarchischen System involviert. Da sie sich von Würmer und Pflanzen ernähren versuchen sie sich auch dem tödlichen Kreislauf von „Fressen oder Gefressen-Werden“ zu entbinden [Sozial-Darwinismus]. Dies sollte die eigentliche Hauptgeschichte und die eigentliche „kindliche Utopie“ sein. Laut Wolfgang M. Schmitt [Die Filmanalyse] bereiten Disney-Filme Kinder jedoch nicht auf utopische Gesellschaftsmodelle sondern auf die (vermeintlich) knallharte Realität vor. Er zitiert Horkheimers und Adornos Buch der Kulturindustrie und meint: Die Kulturindustrie [also u.a. der ideologische Apparat „Hollywood“] bezweckt nicht eine Flucht vor der Realität, sondern ganz im Gegenteil Filme wie König der Löwen sollen eine Flucht vor dem Gedanken an Widerstand bezwecken.
Viele weitere Details zum Film können kritisch durchleuchtet und analysiert werden, doch der Punkt scheint mir getroffen zu sein. Wer sich näher mit dem Film „König der Löwen“ aus einer gesellschaftskritischen und psychoanalytischen Perspektive beschäftigen möchte, dem- oder derjenigen empfehle ich folgende Filmanalyse von Wolfgang M. Schmitt:
König der Löwen (1994): https://www.youtube.com/watch?v=SotONIhFUxA
Der neuverfilmte Teil (2019): https://www.youtube.com/watch?v=mGPOC1Egwb8
Disney als Propaganda für Kinder: https://www.youtube.com/watch?v=aeU_WzF6-ms
Veröffentlicht von Josef Mühlbauer am 2.08.2019 auf der Basis der Filmanalyse von Wolfgang M. Schmitt.