Energieträger und Ressourcen

Zum Kontext: 88 Mio. Fässer Erdöl verbraucht die Wirtschaft weltweit täglich. Die Kernfrage ist, wie beeinflusst dieser Erdölbedarf unsere Umwelt, die europäische Geschichte, die US-Außenpolitik und die Wirtschaft?

Ich werde hier auf die Geschichte des Erdöls eingehen und davon ausgehend, zeige ich den bis heute bestehenden blutigen ökonomischen und geostrategischen Kampf. Der Energie-Markt ist weder ein „freier“, noch ein friedlicher Markt. Dies belegen die US-Interventionen im Irak, Libyien, Syrien, Afghanistan und auch in der Ukraine (hauptsächlich Erdgas). Die Hauptprotagonisten sind nicht nur transnationale Konzerne (BP, Shell…) sondern auch staatlich kontrollierte Unternehmen wie Saudi Aramco aus Saudi-Arabien, Rosneft aus Russland, PdV aus Venezuela, Pemex aus Mexiko oder NIOC aus dem Iran. Obwohl Erdöl- und Gas zu strategischen Eckpfeiler der Geolitik gehört, wissen die wenigsten, warum dem so ist, und die wenigsten erahnen wieviele Kriege deswegen entfachten. Die Internationale Energie Agentur (IEA) berechnete 2012, dass die erneuerbaren Energien weltweit mit $ 101 Mrd. und dagegen die fossilen Energieträger mit $ 544 Mrd. subventioniert werden. Hier verbinden sich die Interessen des Staatsapparates (verkleidet unter dem Decknamen: „nationale Sicherheit“), vor allem die des Militär, mit der Wirtschaft, also mit den transnationalen Erdölkonzerne und der Rüstungsindustrie. Für Dr. Daniele Ganser ist es klar: „Der Staat greift seit Jahrzehnten in allen Ländern der Welt in den Energiemarkt ein und wird es in Zukunft tun“.

Zum theoretischen Konzept:

Ressourcenfluch (resource curse)

Grundthese: Das theoretische Konzept des Ressourcenfluchs (resource curse) beschreibt jenes, auf dem ersten Blick Paradox erscheinende Phänomen, dass Ressourcenreichtum vieler Länder nicht zur Vermehrung von Wohlstand und Entwicklung, sondern zu Armut, Staatszerfall, (Bürger-)Kriege, Krisen, Gewalt und Korruption führen (Croll, Guesnet & Schmitz 2012: 23; Vgl. Schärer 2016: 9). Trotz der hohen Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt durch deren Abschöpfung und Verkauf, bleibt eine signifikante Anzahl ressourcenreicher Länder in ihrer ökonomischen und sozialen Entwicklung zurück (Khodeli, 2009, S. 5). Viele Experten u.a. Collier (2008, S. 58) bestätigen, dass hohe Erträge aus Rohstoffvorkommen in hohem Masse wachstumshemmend wirken. Das Phänomen wird deswegen auch als „Ressourcenfluch“ oder „Paradox of plenty“ bezeichnet. Es gibt aber Länder auf denen dieses Phänomen nicht zutrifft: z.B. Kanada und Norwegen (Vgl. Schärer 2016: 10). Meistens wenn hierbei von Rohstoffen die Rede, handelt es sich um fossile Energieträger (Ressourcenextraktivismus). Der Energiesektor wird demnach so mächtig und reich, so dass Konzerne ganze Regierungen und Staaten „absorbieren“ bzw. unterminieren (Corporate State Capture). Dabei werden die politischen Kanäle und staatlichen Infrastrukturen für die (meist kurzfristigen) Renten, von einer Gruppe Konzernchefs und Manager genutzt. Drehtüreffekte, aber auch Korruption sind demnach demokratieschädigende Nachwirkungen vom Ressourcenextraktivismus (z.B. Aserbaidschan, oder Russlands Rentenökonomie).

Rentenökonomie bzw. Rentierstaatlichkeit:

Kann auch als dem Ressourcenfluch untergeordnetes Konzept angesehen werden. Bei der Rentenökonomie handelt es sich um ein gesellschaftliches Phänomen, bei dem politische Akteure nicht durch Eigenleistung, sondern aufgrund struktureller Faktoren wie Knappheiten (bzw. je nach Betrachtung: Privilegien, staatliche Infrastruktur) und auf dem Rücken der gesellschaftlichen Allgemeinheit, meist kurzfristig hohe Renten erwirtschaften. Die kurzfristige Knappheit wird also ausgenützt, um eine Preiserhöhung und um die eigene Marktmacht und politische Macht zu erhöhen. Dies geschieht auf nationaler Ebene, mit nationalen Eliten. Auf internationaler Ebene spielt die Entwicklungszusammenarbeit eine Rolle und daher spricht man von der „internationalen Rente“. Auf legalem oder illegalem Weg werden die Privilegien und der erleichterte Zugang zu staatlichen Infrastrukturen, Knowhow usw. abgesichert. Was jedoch zu Korruption, Lobbyismus, Drehtüreffekte usw. führt. Diese Verzahnung von politischer und ökonomischer Elite führt zu Neopatrimonialismus und Klientelismus. In den arabischen Staaten gibt es auch noch das Phänomen von „Semi-Rentiers“: „Auch arabische Staaten mit wenigen oder keinen mineralischen Ressourcen erfreuen sich externer Kapitalzuflüsse, die sie zu „Rentierstaaten zweiter Ordnung“ oder „Semi-Rentiers“ machen. Finanzielle und militärische Hilfen aus dem Ausland, Transitgebühren für Pipelines oder, im ägyptischen Fall, für die Passage des Suez-Kanals, sowie intraregionale Unterstützungsleistungen von den erdölreichen zu den erdölärmeren Staaten stellen sogenannte Renten-Äquivalente dar.“ (Bundeszentrale für Politische Bildung, Vgl. Hazem Beblawi/Giacomo Luciani (eds.), The Rentier State, London 1987.).

Noch ein wichtiges Konzept ist die sog. „Dutch Disease“, welche auf den kausalen Zusammenhang hinweist, dass der Ressourcenreichtum und in Folge der Ressourcenfluch dem Sektor außerhalb der fossilistischen Wirtschaft enorm schadet. Es kommt mit anderen Worten zu Exporterlöse, die ausländische Devisen ins Land bringen und dadurch zu einer Aufwertung der inländischen Währung führen kann. Importe werden demnach billiger was aber die heimische Landwirtschaft (z.B.) stark treffen kann, da sie nicht konkurrieren kann. Auf der anderen Seite werden Exporte teurer was zu einer eingeschränkten internationalen Wettbewerbsfähigkeit führen kann. Der Fokus liegt auf dem Energiesektor und andere Wirtschaftssektoren leiden da sie vernachlässigt werden. Es entsteht Arbeitslosigkeit, Armut und eine korrupte, nicht wettbewerbsfähige Wirtschaft.
Diese hier beschriebenen Konzepte beschreiben gleichzeitig auch die negativen Auswirkungen auf die Demokratie: Der Energiesektor wird demnach so mächtig und reich, so dass Konzerne ganze Regierungen und Staaten „absorbieren“ bzw. unterminieren (Corporate Capture). Dabei werden die politischen Kanäle und staatlichen Infrastrukturen für die (meist kurzfristigen) Renten, von einer Gruppe Konzernchefs und Manager genutzt. Drehtüreffekte, aber auch Korruption sind demnach demokratieschädigende Nachwirkungen vom Ressourcenextraktivismus (z.B. Aserbaidschan, oder Russlands Rentenökonomie).
Meissner analysiert mit den bisher erwähnten theoretischen Mitteln und Konzepte, dass der postsowjetische Raum von Korruption, von „strong autocratic presidentialism“ und von neopatrimoniale Strukturen geprägt ist. Die Allokation von Renten auf Kosten der Allgemeinheit, erfolgt meist über nicht bzw. wenig transparente Netzwerke. Diese Renten konsolidieren den autoritären Charakter dieser Staaten. Demnach sind Aserbaidschan und Kasachstan geprägt durch „schwachen politischen Interesse“, strenge Hierarchien, Korruption, schwache Regulationen, fehlende Verteilungsmechanismen, fehlende Transparenz usw. (Vgl. S. 24). Obwohl das postsowjetische Erbe nicht in allen Staaten gleich zu interpretieren ist und nicht die exakt selben Wirkungen mit sich zogen, können vor allem in der Kaspischen Region deutliche Tendenzen, vor allem in Bezug auf die Rentenökonomie und dem Ressourcenfluch festgestellt werden. Daher wendet Meissner ein neues Konzept ein, nämlich „Caspian rentier states“, um den postsowjetischen Kontext, die zentralisierte Hierarchie, die polit-ökonomische Elite (und einige Faktoren mehr vgl. S. 30ff.) besser vergleichen und verstehen zu können. Bislang wurden die Konzepte wie Ressourcenfluch hauptsächlich auf den Nahen Osten und sub-Sahara Afrika angewandt und auch wurde die Kaspische Region hauptsächlich aus einer globalen Perspektive erfasst. Mit dem schon erwähnten Konzept von Meissner, erfasst man jedoch zusätzlich die innerstaatliche Dynamik und Entwicklung der einzelnen Staaten in der Kaspischen Region (Vgl. 33).

Literatur:
Auty, R. M. (2009). Natural resource rent-cycling outcomes in Botswana, Indonesia and Venezuela. In I. Khodeli (Hrsg.), From curse to blessing? Using natural resources to fuel sustainable development (S. 33-44). West Sussex: Wiley-Blackwell & UNESCO.
Collier, P. (2008): Die unterste Milliarde – warum die ärmsten Länder scheitern und was man dagegen tun kann, München: C.H. Beck.
Cord, Jakobeit/ Meißner, Hannes (2011): Frieden und Ressourcen, In: Gießmann, Hans/ Rinke, Bernhard (Hrsg.): Handbuch Frieden, Wiesbaden: VS-Verlag, S. 518-528.
Emmerling, J. (2005). Der Fluch natürlicher Ressourcen – Eine wirtschaftspolitische und politökonomische Analyse. Berlin: Freie Universität zu Berlin.
Gel’man, Vladimir/ Marganiya, Otar (2010): Resource Curse and Post-Soviet Eurasia: Oil, Gas and Modernization, Lexington Books.
Holden, Steinar (2013): Avoiding the resource curse the case Norway. Energy Policy 63(2013), 870-876.
Le Billon, P. (2013): Wars of Plunder. Conflicts, profits and the politics of resources, Oxford: New York.
Roithner, Thomas (2015): Rohstoffsicherheit, In: Jäger, Thomas (Hg.): Handbuch Sicherheitsgefahren, Reihe Globale Gesellschaft und internationale Beziehungen, Wiesbaden: VS-Verlag, S. 65-74.
Sachs, J. D. & Warner, A. M. (12 1995). Natural Resource Abundance and Economic Growth. NBR Working Paper Series. Cambridge: National Bureau of Economic Research.
Schärer, Karin (2016): Ressourcenreichtum als Fluch oder Segen, Schriftreihe der Kalaidos Fachhochschule Schweiz. Wiesbaden: VS-Verlag.
Schulz, Heinrich (2018): Die Erdgasexporte Turkmenistans. Energie- und geopolitische Interessen in der Kaspischen Region. Wiesbaden: VS-Verlag.
Stimpfle, Alexander M. (2010): Resource Curse in the context of “Socialism of the 21st Century”. Bremen: Jacobs University.
UNCTAD (2007). World Investment Report 2007 – Transnational Corporations, Extractive Industries and Development. Geneva: United Nations Publication.
Qaraman Mohammed, Hasan (2019): The power of constition for enacting energy law and managing natural resource. The case of the Kurdistan Regional Government’s oil contracts. Energy Policy 128(2019), 744-751.

 

Veröffentlicht und präsentiert im Rahmen der Uni Wien (Masterseminar unter der Leitung von Dr. Hannes Meissner) am 4.4.2019

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